Brief an Landesrat Mitterer vom 7. Dezember 2005
Im Rahmen unserer Kinderrechte-Jahresaktion für das Recht auf den eigenen Namen und die eigene Identität der Schüler an Österreichs Schulen wurde gestern an den zuständigen Bildungslandesrat Sebastian Mitterer (mit Kopie an die Landeskinder- und Jugendanwältin Harasser und den Direktor der Pädagogischen Akademie Innsbruck Kopeitka) folgender Brief gesandt:
Sehr geehrter Herr Landesrat Sebastian Mitterer!
In den vergangenen Tagen hat die Medien-Diskussion um den in Vorarlberg geplanten Türkischunterricht für angehende Volksschullehrer für Schlagzeilen auch in Tiroler Medien gesorgt (siehe Beilage 1: NEUE-Zeitung für Tirol).
Die Heftigkeit und Emotionalität der Diskussion dieses Themas an den heimischen und virtuellen Stammtischen zeigte, dass der von der Wiener FPÖ wieder eingeführte ausländerfeindliche Wahlkampf seine dumpfen Schatten bereits auf die kommenden Wahlgänge in Innsbruck und Tirol voraus wirft.
Das Thema „Türkisch für Volksschullehrer“ ist nun nicht nur als Stoff für gekünstelte und aktionistische xenophobe Politik-Stammtisch-Debatten ergiebig! Es ist auch noch in einem anderen Zusammenhang interessant, wie die Kopie meines Briefes vom 30. September des Vorjahres an Direktor Andreas Schöpf von der August-Thielmann-Volksschule Telfs zeigt. (Siehe Beilage 2)
In dem Brief ging es um ein spezielles Problem, auf das ich im September 2004 im Zuge unseres Familien-Lernhilfe-Projektes in Telfs gestoßen war. Der Name einer meiner türkischsprachigen Projektteilnehmerinnen war vom ersten Tage an von der Lehrerin falsch geschrieben und ausgesprochen worden. Als ich die Lehrerin formlos schriftlich darauf aufmerksam machte und zudem einen Tipp gab, wie der betreffende Buchstabe am Computer zu finden sei, reagierte die Schule sehr ungehalten. Ich erkundigte mich daraufhin bei einer Juristin im Landesschulrat und bei der Landesjugendanwältin danach, ob es denn keine verbindlichen Regeln für die korrekte Schreibweise türkischer Namen im Tiroler Schulwesen gäbe. Zum damaligen Zeitpunkt gab es solche Regelungen offenbar nicht, wie mir gesagt wurde.
Damals dachte ich mir, dass das Recht auf den eigenen Namen und somit das Recht auf die eigene Identität, die beide in der von Österreich 1992 ratifizierten UN-Kinderrechts-Konvention verankert sind, doch eigentlich garantiert sein müssten, ohne dass Kinder oder deren Eltern dieses Recht zuerst offiziell einklagen müssen.
Deshalb habe ich nun beschlossen, für 2006 als Kinderrechte-Jahresschwerpunkt der Cin-Ali-Lernklub-Bibliothek die Aktion: „Yıldız – ohne Punkte…“ ins Leben zu rufen. (siehe auch Beilage 3: Exposè und Beilage 4: Leseprobe).
Nun, meiner Meinung nach macht es VIEL Sinn, wenn Pädagogen, die Kindern mit türkischer Muttersprache oder Zweitsprache Deutschunterricht erteilen, das türkische Alphabet kennen und wissen, wie die türkische Sprache aufgebaut ist. Erst dann können sie den türkischsprachigen Kindern nämlich ECHT helfen Deutsch zu lernen.
Zwei Beispiele:
1) Das Türkische kennt keinerlei Artikel und somit auch kein grammatikalisches Geschlecht, wie das viele Sprachen wie z.B. Deutsch, Englisch, Italienisch, Spanisch oder Französisch tun. Zudem sind im Deutschen die Artikel und ihre Deklination extrem verwirrend. Der Artikel DIE z.B. ist einmal feminin, Singular Nominativ und Akkusativ, aber auch für alle Geschlechter im Plural. DER wiederum ist maskulin Singular Nominativ, feminin Singular Genitiv und Dativ und feminin, maskulin und neutral Plural Genitiv. Das ließe sich fortsetzen.
2) Dann ist auch die vom grammatikalischen (nicht natürlichen) Geschlecht abhängige Deklination der Adjektive ein besonderer Leckerbissen beim Deutschlernen.
Warum heißt es z.B.:
bunt - der Hund
Der Hund ist bunt.
Ein bunter Hund ist niemals einfärbig.
Der bunte Hund ist nicht einfärbig.
Das ist alles NICHT logisch. Man muss es einfach lernen. Wenn Kinder das in den ersten fünf, sechs Jahren automatisch lernen, dann macht ihnen das später keine Mühe. Für die, die es später lernen müssen ist es hingegen ein hartes Stück Arbeit, das aber Lehrer, die die Unterschiede zum Türkischen kennen wesentlich erleichtern können. Zumal sie dann den Kindern keine Hausübungen aufgeben, die sie beim besten Willen einfach nicht verstehen können. Letztere habe ich selbst gesehen - es war erschütternd für mich....
Das betroffene Kind hat nach bestem Wissen und Gewissen und ganz brav die Aufgabe gemacht und war fassungslos, als ALLES falsch war. Aggressiv rote Tinte über das ganze Übungsblatt verströmt. Und das NUR weil die Lehrperson offensichtlich keine Ahnung von Deutsch als Fremdsprache und dem anderen Aufbau der türkischen Sprache hatte. Erlebnisse wie diese sind der Alltag vieler türkischsprachiger Kinder und DAS frustriert sie ungeheuerlich. Und es ist herzlos: als ob man einem Kind mit großen Füßen Laufschuhe gibt, die drei Nummern zu klein sind, und es dann mit den Mitschülern einen Marathon laufen lässt: Es kann nie mithalten und ruiniert sich zudem die Füße.
Das größte Problem dabei ist, dass die Eltern oft diese Schwierigkeiten ihrer Kinder genauso wenig verstehen wie die Lehrer, und die Kinder so von beiden Seiten mit sehr hohen Anforderungen konfrontiert werden, die sie nur schwer erfüllen können. Deshalb macht nicht nur eine kleine Türkisch-Einführung für Volksschullehrer viel Sinn, sondern es müsste zusätzlich auch intensive Elternbildung für die betroffenen Eltern angeboten werden.
Helfen Sie BITTE mit, diese Probleme zu lösen und die Kinderrechte-Konvention auch in Österreich umzusetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Landesrat Sebastian Mitterer!
In den vergangenen Tagen hat die Medien-Diskussion um den in Vorarlberg geplanten Türkischunterricht für angehende Volksschullehrer für Schlagzeilen auch in Tiroler Medien gesorgt (siehe Beilage 1: NEUE-Zeitung für Tirol).
Die Heftigkeit und Emotionalität der Diskussion dieses Themas an den heimischen und virtuellen Stammtischen zeigte, dass der von der Wiener FPÖ wieder eingeführte ausländerfeindliche Wahlkampf seine dumpfen Schatten bereits auf die kommenden Wahlgänge in Innsbruck und Tirol voraus wirft.
Das Thema „Türkisch für Volksschullehrer“ ist nun nicht nur als Stoff für gekünstelte und aktionistische xenophobe Politik-Stammtisch-Debatten ergiebig! Es ist auch noch in einem anderen Zusammenhang interessant, wie die Kopie meines Briefes vom 30. September des Vorjahres an Direktor Andreas Schöpf von der August-Thielmann-Volksschule Telfs zeigt. (Siehe Beilage 2)
In dem Brief ging es um ein spezielles Problem, auf das ich im September 2004 im Zuge unseres Familien-Lernhilfe-Projektes in Telfs gestoßen war. Der Name einer meiner türkischsprachigen Projektteilnehmerinnen war vom ersten Tage an von der Lehrerin falsch geschrieben und ausgesprochen worden. Als ich die Lehrerin formlos schriftlich darauf aufmerksam machte und zudem einen Tipp gab, wie der betreffende Buchstabe am Computer zu finden sei, reagierte die Schule sehr ungehalten. Ich erkundigte mich daraufhin bei einer Juristin im Landesschulrat und bei der Landesjugendanwältin danach, ob es denn keine verbindlichen Regeln für die korrekte Schreibweise türkischer Namen im Tiroler Schulwesen gäbe. Zum damaligen Zeitpunkt gab es solche Regelungen offenbar nicht, wie mir gesagt wurde.
Damals dachte ich mir, dass das Recht auf den eigenen Namen und somit das Recht auf die eigene Identität, die beide in der von Österreich 1992 ratifizierten UN-Kinderrechts-Konvention verankert sind, doch eigentlich garantiert sein müssten, ohne dass Kinder oder deren Eltern dieses Recht zuerst offiziell einklagen müssen.
Deshalb habe ich nun beschlossen, für 2006 als Kinderrechte-Jahresschwerpunkt der Cin-Ali-Lernklub-Bibliothek die Aktion: „Yıldız – ohne Punkte…“ ins Leben zu rufen. (siehe auch Beilage 3: Exposè und Beilage 4: Leseprobe).
Nun, meiner Meinung nach macht es VIEL Sinn, wenn Pädagogen, die Kindern mit türkischer Muttersprache oder Zweitsprache Deutschunterricht erteilen, das türkische Alphabet kennen und wissen, wie die türkische Sprache aufgebaut ist. Erst dann können sie den türkischsprachigen Kindern nämlich ECHT helfen Deutsch zu lernen.
Zwei Beispiele:
1) Das Türkische kennt keinerlei Artikel und somit auch kein grammatikalisches Geschlecht, wie das viele Sprachen wie z.B. Deutsch, Englisch, Italienisch, Spanisch oder Französisch tun. Zudem sind im Deutschen die Artikel und ihre Deklination extrem verwirrend. Der Artikel DIE z.B. ist einmal feminin, Singular Nominativ und Akkusativ, aber auch für alle Geschlechter im Plural. DER wiederum ist maskulin Singular Nominativ, feminin Singular Genitiv und Dativ und feminin, maskulin und neutral Plural Genitiv. Das ließe sich fortsetzen.
2) Dann ist auch die vom grammatikalischen (nicht natürlichen) Geschlecht abhängige Deklination der Adjektive ein besonderer Leckerbissen beim Deutschlernen.
Warum heißt es z.B.:
bunt - der Hund
Der Hund ist bunt.
Ein bunter Hund ist niemals einfärbig.
Der bunte Hund ist nicht einfärbig.
Das ist alles NICHT logisch. Man muss es einfach lernen. Wenn Kinder das in den ersten fünf, sechs Jahren automatisch lernen, dann macht ihnen das später keine Mühe. Für die, die es später lernen müssen ist es hingegen ein hartes Stück Arbeit, das aber Lehrer, die die Unterschiede zum Türkischen kennen wesentlich erleichtern können. Zumal sie dann den Kindern keine Hausübungen aufgeben, die sie beim besten Willen einfach nicht verstehen können. Letztere habe ich selbst gesehen - es war erschütternd für mich....
Das betroffene Kind hat nach bestem Wissen und Gewissen und ganz brav die Aufgabe gemacht und war fassungslos, als ALLES falsch war. Aggressiv rote Tinte über das ganze Übungsblatt verströmt. Und das NUR weil die Lehrperson offensichtlich keine Ahnung von Deutsch als Fremdsprache und dem anderen Aufbau der türkischen Sprache hatte. Erlebnisse wie diese sind der Alltag vieler türkischsprachiger Kinder und DAS frustriert sie ungeheuerlich. Und es ist herzlos: als ob man einem Kind mit großen Füßen Laufschuhe gibt, die drei Nummern zu klein sind, und es dann mit den Mitschülern einen Marathon laufen lässt: Es kann nie mithalten und ruiniert sich zudem die Füße.
Das größte Problem dabei ist, dass die Eltern oft diese Schwierigkeiten ihrer Kinder genauso wenig verstehen wie die Lehrer, und die Kinder so von beiden Seiten mit sehr hohen Anforderungen konfrontiert werden, die sie nur schwer erfüllen können. Deshalb macht nicht nur eine kleine Türkisch-Einführung für Volksschullehrer viel Sinn, sondern es müsste zusätzlich auch intensive Elternbildung für die betroffenen Eltern angeboten werden.
Helfen Sie BITTE mit, diese Probleme zu lösen und die Kinderrechte-Konvention auch in Österreich umzusetzen.
Mit freundlichen Grüßen
CinAli - 10. Dez, 11:20
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